17.01.15

Kostümdesign für Fantasykulturen

Mit der passenden Ausstattung wirkt ein Charakter auf Anhieb glaubwürdig, ohne dass man auch nur ein Wort der Erklärung abgeben muss. Jeder Gegenstand kann natürlich auch begründet werden, aber dafür muss es erst einmal zu einer Diskussion darüber gekommen sein. Das Aussehen kann einem Gegenüber bereits vieles über die Figur und dessen Hintergrund verraten und erleichtert es dich als das wahrzunehmen, was du darstellen möchtest. 

Am Anfang war …

                             ... die Regel.


Wenn man sich daran macht eine völlig freie Fantasy-Kultur zu erschaffen, ist die Grenze ja eigentlich nur die eigene Vorstellungskraft und alles ist möglich. Denn es ist ja „Fäntasie“. Doch dieser Schein trügt, denn um ein glaubhaftes Aussehen einer Kultur zu erschaffen braucht es Regeln, nach der diese Kultur besteht.
Und diese Regeln gilt es erst einmal aus der schieren unendlichen Menge der Möglichkeiten aufzustellen. Bevor man also an das eigentliche Kostümdesign geht, sollte man die Kultur, den Hintergrund, zumindestens soweit ausarbeiten, dass man eben etwas hat, an das man sich halten kann und dass man bestimmte Dinge schon mal ganz ausschließen kann.
Als einfaches Beispiel: Kennt das Volk keine Schafe, so gibt es keine Wolle.


Was beeinflusst das Aussehen von Kleidung?

Die Umgebung und das Klima

Zuerst einmal muss überhaupt die Notwendigkeit für Kleidung bestehen. Und diese ergibt sich meistens aus der Notwendigkeit, seinen Körper zur schützen. Entweder vor Kälte, vor Schaden, oder vor Hitze. Das heißt, das Klima und die „Umgebung“ spielen eine ganz entscheidende Rolle. Ist es z.B eher kalt, sieht die Kleidung natürlich ganz anders aus, als wenn es sehr warm ist. Aber auch bei warmen Regionen gibt es Unterschiede. Wenn es keine Schattenspendenden Bäume gibt, so wird die Kleidung einen vor der Sonne schützen müssen. Wechseln die Temperaturen (wie bei uns mit warmen Sommern und kalten Wintern) so braucht man etwas, was sich diesen Schwankungen anpassen kann. Möglicherweise muss man sich aber auch vor Gefahren und Verletzungen schützen, was Dornen und scharfe Steine sein können, aber auch Mücken und andere lästige Dinge. 

heiß, kalt bei Nacht, sonnig, schattenlos, sandig
feuchtwarm, heiß, schattig, bewaldet, weicher Boden
kalt, nasskalt, trockenkalt, feuchtkalt, Schnee und Eis, Eiswind
warm, kalt, heiß, unbeständig, trocken, nass, feucht, nasskalt, wechselhaft

Aus diesen Überlegungen ergibt sich schon mal eine Vorstellung, wie viel Kleidung getragen wird und auch ein wenig, wie sie beschaffen ist. Ob sie eher aus dickem, festen Stoff besteht, oder aus leichtem, luftdurchlässigem. An dieser Stelle hilft es schon mal enorm sich reale Kulturen anzuschauen, die aus ähnlichen Gefilden stammen, wie die Erdachte.


Die vorhandenen Rohstoffe

Welche Rohstoffe überhaupt zur Verfügung stehen bildet einen weiteren wichtigen Punkt, der das Aussehen auf mehrfache Art beeinflussen kann.

Neben Leder, Fell und Pflanzenfasern aus denen sich unterschiedlichste Kleidungsstücke herstellen lassen, da jedes Material andere Eigenschaften aufweist, spielt es auch eine Rolle, welche Hilfmittel benutzt werden können. Sei es Werkzeug, wie grobe Knochennadeln, oder feine Metallnadeln. Möglichkeiten für Schließen und Knöpfe (aus Holz, Horn, Knochen, Leder, Metall….) oder Farbstoffe.

Vorhanden:
tierische Materialien wie Fell, Leder, Sehnen, Knochen, Zähne

Nicht vorhanden oder selten:
Holz und Metall, Pflanzenfasern

Vorhanden:
tierische Materialien wie Fell, Leder, Sehnen, Knochen, Zähne. Pflanzenfasern, Metall

Nicht vorhanden oder selten:
Holz


Was können diese Punkte für das Erscheinungsbild von Kleidung, oder für die Kultur bedeuten? Wenn das Volk keine Metallverarbeitung kennt, so heißt das eben auch, dass es keine Schere gibt und Nadeln eher grob aus Knochen oder Holz, oder aber fein aus Fischgräten, oder Schweineborsten, was aber nicht gerade einfach zu handhaben ist. Die Nähte sind also wohl eher grob mit dickem Faden und auch nur die nötigsten, wenn es für einen einfachen Charakter sein soll, aber durchaus fein, wenn der Charakter vielleicht einen gewissen Stand in der Gesellschaft hat. Möglicherweise hat die Kultur aber auch viel Zeit und die Nähte sind generell auf aufwändige weise genäht. Aber jemand der keine feinen Nähte machen kann und für den die Naht eben den vorrangigen Zweck erfüllt dass zwei Stoffteile zusammen halten und man das ganze Anziehen kann, ohne dass es dazu eine besonders schöne Form haben muss, der wird unnötige Stiche vermeiden, oder ein versäumen der Stoffkannte und bezieht die Webkanten stark mit in sein Kleidungskonzept mit ein, so dass der Stoff nicht ausfranst.


Das soll an dieser Stelle übrigens nicht heißen, dass man sich die Wolle selber spinnen muss um ein glaubwürdiges Kostüm zu erschaffen, sondern nur, dass man sich Gedanken macht um Dinge imitieren zu können.

Weiterhin sollte man sich Gedanken zu alternativen Verschlussmöglichkeiten machen. Schnallen aus Metall können sehr klein sein, ohne dass sie Brechen, bei  Holz oder Horn sieht das schon ganz anders aus (auch wenn man diese Materialien durch etwas Haltbareres imitieren könnte).




Ähnliche Überlegungen kann man auch anstellen, wenn die Kultur nicht an Pflanzenfasern oder Holz kommt. Wie sieht Kleidung aus, die nur aus tierischen Materialien gefertigt ist? Oder bei der Stoffe sehr kostbar sind, weil sie selten sind?
Gegenteiliges kann herauskommen, wenn es ein Material im Überfluss gibt was vielleicht bei „normalen“ Kulturen als Kostbar gilt. Z.B. Gold würde seinen hohen Wert für diese Kultur verlieren, aber trotzdem als Schmuck in allen möglichen Varianten eingesetzt werden.




Schwierig wird es natürlich, wenn man sich hier Rohstoffe heraussucht, die man selber gar nicht bearbeiten kann oder an die man nun mal in unserer Welt nicht so leicht ran kommt. Was bei den Meisten wohl z.B. bei Metallverarbeitung der Fall ist, wodurch es schwierig ist an Ausgefallenere Stücke zu kommen. Aber dabei kann man auch mal darüber nachdenken, ob man das Material nicht auch imitiert bekommt (vielleicht nicht unbedingt aus Schaumstoff und Latex, sondern aus Stoffen, die wenigstens ein wenig in die gleiche Richtung gehen, wie das Originalmaterial. Z.B. Rüstungen aus GFK).

Ein gesondertes Thema in Bezug auf Rohstoffe bilden die Farben. Zum einen schafft ein bestimmtes Farbschema eine gewissen Zusammengehörigkeit, kann aber auch sehr schnell sehr Künstlich aussehen. Von daher sollte man nicht so vorgehen, dass eine Kultur nur bestimmte Farben zur Verfügung hat, sondern dass verschiedene Farbstoffe unterschiedlich schwer zu beschaffen, oder herzustellen sind. (Hierbei könnte man sich auch Fantasyfarbstoffgeber ausdenken). Dadurch ergibt sich häufig, dass bestimmte Farben bestimmten Ständen vorbehalten sind, sei es durch Geld und/oder durch Rang (Bsp.: einen bestimmten Blauton können sich nur Adelige leisten, oder orange ist die Farbe für eine Gottheit, weshalb nur die Priester diese Farbe tragen.)



Ein weiterer Punkt in Sachen zur Verfügung stehender Rohstoffe ist der Handel. Und hier wird es kompliziert, denn man kann ja durchaus festlegen, dass Materialien, an die das Volk selber nicht heran kommt, durch Handel zu diesem Volk gelangen. Das verwischt aber auch sehr stark die Grenzen von verschiedenen Kulturen und hat auch noch einen Aspekt außerhalb des Spiels (OT), bei dem ebenso unklar ist, ob ein Kleidungsstück, das offensichtlich nicht zum Rest passt, jetzt im Spiel (IT) erhandelt sein soll, oder nur praktischerweise außerhalb des Spiels (OT) eben vorhanden war. Als Beispiel:  Der Urwaldbewohner im Lendenschurz, der kein Metall verwendet trägt aber einen Gürtel mit Metallschließe. Oder der Urwaldbewohner im Lendenschurz, der kein Metall kennt, der einen Radmantel mit Eisenfibel trägt, weil es nun mal kalt ist. Die Kleidung sollte einfach ihre Geschichte selber erzählen können und es sollte nur in Ausnahmefällen Stücke geben, zu denen man etwas erklären müsste.



Die Technik

Gerben, Spinnen und Weben beeinflusst natürlich grundsätzlich die Art der Materialien, aber darüber hinaus sind auch die Weiterverarbeitungstechniken ein Punkt, der das Aussehen von Kleidung erheblich beeinflussen kann. Zum einen, wie körperbetont kann gearbeitet werden, und wie erreicht man sein Ziel? Durch Schnürungen, oder durch passgenaues Arbeiten? Wie wird Kleidung verziert? Wird sie bestickt (und welche Stiche sind bekannt), oder bemalt? Mit Borten versehen (und wie werden diese Hergestellt), mit anderem Stoff eingefasst, mit Fell verbrämt. Mit Faltungen und Raffungen versehen, oder mit Spitze. Kann Leder punziert werden, oder nur gefärbt, geflochten, mit Zierstichen versehen werden, oder genietet?
Das sind natürlich alles Punkte, die beim selber machen stark vom eigenen Können abhängig sind. Bei gekauften Sachen aber vielleicht auch ein besonderes Augenmerk verdienen.



Die Gesellschaft.

Wichtige Punkte, die eine Gesellschaft prägen, wie Glaube, Sitte und Ethik, können auch Einfluss auf das Aussehen von Kleidung und Accessoires haben. Das kann eben zum einen sein, dass etwas auf eine bestimmte Art und Weise getragen besonders Gott/Göttergefählig ist. Oder die Art und Weise etwas zu tragen bringt Glück, oder symbolisiert, dass man noch zu haben ist, oder eben nicht mehr. (z.B. die Haube bei Frauen.) Es könnte aber auch bestimmte Vorstellungen des Anstandes geben, wie das Bedecken bestimmter Körperteile. In der einen Kultur müssen die Beine bis zu den Fußknöcheln bedeckt sein, die Schultern dürfen aber frei sein, in einer anderen Kultur gilt man mit sichtbaren Schultern schon als nackt.
In einer Gesellschaft ist Kleidung auch immer irgendwie Schmuck, denn sobald sie nicht nur den schützenden Faktor erfüllt, geht es darum sich irgendwie von den anderen abzuheben. Seinen Stand in der Gesellschaft zu verdeutlichen, oder Stärke, Macht und Attraktivität. Hier spielt natürlich Farbe wieder eine wichtige Rolle, aber auch Art der Stoffe, Verzierungen und Schmuckelemente. Es macht doch einen Unterschied, ob es einfache Holzknöpfe sind, oder verzierte Messingknöpfe. Und aus diesem Sammelsurium ergibt sich dann eine Mode.




Dies sind alles Gebiete, zu denen man Überlegungen anstellen kann um ein rundes Gesamtbild zu erzeugen. Man kann natürlich auch ohne tiefer gehende Überlegungen angestellt zu haben, Materialien, Rohstoffe und verarbeitungsarten festlegen. Nur machen diese Überlegungen es einfacher, bei Fragen Entscheidungen zu fällen und gerade wenn man eine Kultur nicht alleine bespielen will, hilft das allen Beteiligten enorm, die richtigen Schlüsse zu zeihen.
An dieser Stelle hat man allerdings gerade mal ein grobes Konzept seiner Kultur und noch kein wirkliches Design und noch lange kein Kleidungsstück.


Weiter gehts hier: Kostumdesign für Fantasykulturen II

4 Kommentare:

  1. Danke für diesen Artikel! Da geht einem doch das Herz auf beim Lesen. :-)

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    1. Danke dir vielmals, und es freut mich, dass er dir gefällt. :)

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  2. Ich möchte einen Faun Cosplayen, hätte aber doch gerne ein Schnittmuster. Wüsstest du, wo es welche gibt?

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    1. Schnittmuster für Beine oder für Kleidung?
      Bei Kleidung kannst du mal bei https://www.natronundsoda.net/main.html schauen für Beine gibt es kein Schnittmuster, das musst du dir selber machen, da das ja nicht nur auf deine Größe ankommt, sondern auch auf die Form der Polster.
      Aber das ist gar nicht so schwer, ich klebe immer meine Polster mit Krebklebeband an mein Bein, packe dann eine Schicht Zeitungspapier drumherum und wickle dass mit Klebeband ein. alternativ kann man auch Frischhaltefolie benutzen statt der Zeitung. Anschließend schneid ich das an der Seite auf, so dass ich wieder raus komme, zeichne mit meine verschiedenen Fellfarben ein wenn ich denn welche möchte und zerschneid das so, dass ich einzelne Teile flach auf den Boden legen kann. So hat man gleich all seine Abnäher an der richtigen Stelle.

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